Ich glaube fast alle von uns haben sich schon einmal als Hochstapler gefühlt.
Das Gefühl, dass wenn andere nur hinter unsere Fassade sehen könnten, wir entlarvt würden. Ich kenne das Gefühl auch, es taucht immer mal wieder auf in bestimmten Lebensphasen und Situationen. Viele kennen diese angstbesetzten Gedanken über unsere vermeintliche Inkompetenz und scheinbar mangelnde Qualifikation. Wir fragen uns, ob wir nur versehentlich ausgewählt wurden für eine Aufgabe, einen Job oder eine Beförderung und quälen uns selber mit dem Gedanken, irgendwann aufzufliegen.
Das ist das Hochstapler-Syndrom, eines der quälendsten Gedankenmuster.
Für die meisten von uns sind diese gefühlten Hochstaplermomente vorübergehend - oft sind sie am akutesten unmittelbar nach einer Beförderung, dem Beginn eines neuen Jobs oder eines neuen Projekts, einer Umschulung, Selbstständigkeit, bei einer neuen Herausforderung eben, in der sich alle Selbstzweifel und Unsicherheitsgedanken bündeln.
Selbstzweifel, Unsicherheit und die Angst, dass andere merken, dass wir doch nicht so gut sind, wie sie annehmen. Den bestehenden Erfolgen wird nicht getraut. Stattdessen ist da dieses quälende Gefühl, dass du nicht gut genug bist oder du nicht dazu gehörst, dass du den Job, die Beförderung, die Beziehung, den Platz am Tisch eben nicht verdienst.
Anscheinend betrifft dieses Gedankenmuster vor allem, aber nicht ausschließlich uns Frauen. Leistungsstarke Frauen, die glauben, sie wären nicht intelligent genug und fälschlicherweise überbewertet vom Gegenüber. Von außen betrachtet absurd.
Mein Hochstapler Syndrom hat sich gezeigt bei jedem Jobwechsel, bei dem es eine Stufe höher ging. Es hat sich gezeigt in Liebesbeziehungen, in Projekten, auch hier im Podcast, eben immer, wenn ich ein Stückchen von mir zeigen musste. Oder durfte.
Direkt kam mir der Gedanke: 'Aber warum würde mir jemand so viel Geld bezahlen für meinen Input. Warum würde mir jemand zuhören wollen in einem Podcast.'
Vielleicht kennst du solche Gedanken auch…
Beginnen wir damit, dass wir solche Gedankenmuster bei uns und anderen erkennen. Wir scheinen also erst einmal nicht in der Lage zu sein unsere Leistungen, unseren Wert, unsere Erfolge zu verinnerlichen, egal wie erfolgreich wir tatsächlich sind. Denn das Lustige ist, dass oft sehr erfolgreiche Menschen am Hochstapler Syndrom leiden.
Einige Forscher haben es mit Perfektionismus in Verbindung gebracht. Ich glaube, da könnten sie richtig liegen.
Aus eigener Erfahrung kann ich sagen, Perfektionismus ist keine Stärke. Es ist keine Tugend. Nichts Positives und Wüschenswertes. Perfektionismus ist Angst. Unsicherheit. Selbstzweifel. Wir perfektionieren bis zum abwinken, schieben immer weiter hinaus, versuchen jedes kleine Winkelchen von Angreifbarkeit zu minimieren indem wir es perfekt machen wollen. Perfektionismus ist eine tiefsitzende, existentielle Angst, die immer wieder sagt: Ich bin nicht gut genug und ich werde nie gut genug sein.
Frage an dich:
Glaubst du, dass dein Erfolg oder das was du erreicht hast vielleicht nur großes Glück war? Oder durch Verbindungen entstanden ist, die du hast? Oder vielleicht durch dein Aussehen, durch irgendetwas anderes, außer deinem Talent, deinem Drive, deiner Intelligenz oder deiner Arbeitsethik?
Hast du Angst, dass man herausfindet, dass du doch nicht so clever und gut bist? Fühlst du dich als weniger, als andere Menschen in ähnlichen Positionen oder Situationen? Hast du Angst, dass man herausfindet, dass du eigentlich keine Ahnung hast? Dass du doch nicht so klug und erfahren bist? Kennst du solche Gedanken, obwohl du eine Position ausfüllst zu der andere hinaufblicken?
Das Gefühl etwas verdient zu haben ist eine Emotion, die nicht durch unseren Job geschaffen wird, sondern durch unsere Gedanken. Richtig? Sie wird von unserem Gehirn geschaffen. Und das Gleiche gilt für das Gefühl, würdig und genug zu sein.
Wenn du ständig darüber nachdenkst, wie schrecklich oder fehlerhaft oder unsicher du bist, hilft das nicht unbedingt dabei vorwärts zu kommen, richtig?
Stattdessen haben wir die Möglichkeit zu entscheiden, ob diese Art über uns selbst zu denken uns hilft besser mit uns selbst zu sein.
Das Hochstapler-Syndrom ist kein Leiden, kein Krankheitsbild, es ist nicht in deinem Erbgut und du bist nicht hoffnungsvoll verloren ist, wenn du es hast.
Es ist nur eine Beschreibung einer Sammlung deiner eigenen kritischen Gedanken. Eine Sammlung deiner eigenen kritischen Selbstgespräche. Es sind oft alte Gewohnheitsgedanken von früher, von der Gesellschaft oder einfach von einer eigenen negativen Einstellung, die sich vor allem auf deine ‚Mängel‘ bezieht.
Wie bei jedem Gedanken können wir entscheiden ob wir ihn behalten möchten.
Was hier so interessant ist, ist, wie diese Gedanken über uns selbst zu den Ergebnissen werden, die wir im Leben nicht wollen. Deshalb ist es wichtig deine Gedanken zu untersuchen und zu sehen, was sie für dich in deinem Leben schaffen.
Bei dem Hochstapler-Syndrom stecken wir oft in der Interpretation fest, dass etwas mit uns nicht stimmt oder nicht ausreicht. Aber das ist nur ein Filter, durch den du dein Leben interpretieren kannst.
Du kannst auch einen anderen Filter auswählen, genau wie die Filter auf Instagram.
Es ist immer noch das gleiche Bild, das wir bearbeiten, richtig? Wenn du ein Bild von dir selbst machst und einen Filter drauflegst, bist das trotzdem immer noch du. Es sieht nur ein bisschen anders aus. Es ist dasselbe, wenn du einen Gehirnfilter hast, mit dem du dich und das Leben interpretierst. Es ist immer noch dein Leben, aber ein anderer Filter, eine andere Art Dinge zu betonen oder hervorzuheben. Und vielleicht betonst du ab jetzt die Dinge, die dir dienen und dich bestärken. Und nicht mehr so sehr die Dinge, die nicht hilfreich sind.
Unsere Erfahrungen werden wir also immer noch machen, aber du entscheidest mit Absicht, was sie für dich und dein Leben bedeuten.
Also, was kannst du tun, um aus diesen ätzenden Gedanken und Selbstbild auszusteigen?
- Werde dir deiner Hochstaplergefühle bewusst, wenn sie wieder auftauchen. Jetzt kannst du sie als solche festmachen und benennen. Bewusstwerden ist der erste Schritt zur Veränderung.
- Überschreibe dein Gedankenprogramm. Indem du dir sagst, dass es ganz normal ist, dass du nicht alles auf Anhieb weißt und dass du immer mehr dazu lernst, mit jedem Tag.
- Sprich über deine Gedanken und Gefühle. Ob du es glaubst oder nicht, es gibt noch mehr wie dich. Mir zB hilft es sehr zu wissen, dass Menschen die mich beeindrucken und zu denen ich aufschaue, auch solche Gedanken und Gefühle kennen.
- Führe dir nochmal den Kontext vor Augen. Die meisten von uns fühlen sich nicht 100% sicher und selbstbewusst in jeder Lebenslage. Das was mir hilft in solchen Situationen ist, mir vor Augen zu führen, wie ich sein möchte. Was für eine Frau, Partnerin, Geschäftsfrau, was für ein Mensch ich sein möchte. Um mich dann immer wieder neu auszurichten und mich so zu verhalten, wie die Frau, die ich eigentlich sein möchte. Visualisiere deinen Erfolg. Fühle dich in diesen Seins-Zustand hinein. Fokussiere dich auf das Ergebnis, das Resultat, das Gefühl wenn du dein Ziel erreicht hast.
- Stelle dir eine Liste zusammen mit 10 Fakten die belegen, dass du qualifiziert bist, bereit bist, gut bist, für deine Aufgabe. Sammle dir deine Beweise, schwarz auf weiß. Und wenn du damit Schwierigkeiten hast, dann frag dich doch erst einmal, was für Beweise du hast, dass du dem Ganzen nicht gewachsen bist. Oder weniger qualifiziert als jemand anderes bist, um diese Arbeit zu tun? Oder gibt es vielleicht irgendetwas, das dich etwa qualifizierter macht?
- Erkenne deine Leistung an. Vielleicht war es nicht immer ein gerader Weg. Aber du bist ihn trotzdem gegangen. Vor allem wir Frauen erklären unseren Erfolg eben oft mit Glück, gutem Timing oder Erfolg durch die Hilfe Anderer. Versuche die Rolle in deiner Erfolgsgeschichte anzunehmen und anzuerkennen und höre auf damit zu relativieren und sie herunterzuspielen. Sei stolz darauf, was du erreicht hast. Es ist etwas Besonderes!
- Und nochmal, visualisiere deinen Erfolg. Visualisiere ganz genau, wie du eine Sache meistern wirst, bevor es dann auch so geschieht. Das ist eine Taktik, die Militärrekruten und Spitzensportlern beigebracht wird, indem sie trainiert werden zu visualisieren, wie sie mit einer Situation umgehen werden, bevor sie eintritt.
- Und ganz wichtig. Entscheide dich aktiv dafür selbstbewusst zu sein. Zeige dich. Mache dich sichtbar. Hebe deine Hand in Meetings. Entscheide dich, selbstbewusst zu sein und übe die 5 Sekunden Regel im Notfall, indem du herunter zählst 5,4,3,2,1 und dann in Aktion trittst. Trau dich. (Hör dir hierfür gerne nochmal die 5-Sekunden-Angstfrei-Regel als Podcastfolge an.)
- Und wenn sich wieder ein Hochstaplergedanke einschleicht, dann zucke mit den Schultern und sage dir: Jap, du und 70% der Menschen um dich herum kennen solche Gedanken. Wir können nur nicht in die Köpfe der anderen schauen.
Aber willkommen im Club.
Sich wie ein Hochstapler vorzukommen ist nichts Ungewöhnliches. Sogar Nobelpreisträger kennen das Symptom. Auch Facebook COO Sheryl Sandberg, Tom Hanks, Michelle Obama kenne sich damit aus.
Mache dir bewusst, dass niemand alles weiß und dass diejenigen, die nicht mit den Hochstaplerängsten zu kämpfen haben nicht intelligenter, kompetenter oder fähiger sind als der Rest von uns. In vielen Fällen sind sie einfach geschickter darin, es vorzutäuschen, bis sie es schaffen. Fake it 'til you make it.
Du bist kein Betrüger. Du bist auch kein Hochstapler. Es gibt keinen Grund, dich zu verstecken. Es ist Zeit deine Leistungen, deine Fähigkeiten und deine einzigartige Brillanz voll zu beanspruchen.
Was ist Größe? Es ist die Befriedigung zu wissen, dass du dich getraut hast und dich auf den Weg gemacht hast, obwohl du Zweifel hattest.
Du bist ein leuchtender Stern ... beanspruche das für dich. Deine Zukunft zählt darauf.
Hörst Du gerne Podcast?
Diesen Beitrag und mehr Impulse und Methoden gegen Angst gibt es in meinem Podcast 'Calm is your Superpower'.
Bei Itunes, Spotify, Youtube und auf meiner Webseite.
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