Was bedeutet es integer zu sein?
In dieser Blogbeitrag geht es um die Integrität.
Allerdings nicht in einem moralisierenden Sinne. Sondern ich lese gerade ein Buch von Martha Beck, - The way of integrity - und sie beschreibt schön, wie Integrität verstanden werden kann. Das Wort Integrität hat in der modernen Sprache eine leicht wertende Nuance, aber das Wort kommt von lat. integer, was unversehrt und ganz bedeutet.
Integrität bedeutet, so wie Martha Beck es beschreibt, in Einem zu sein, ganz und ungeteilt. Ein paar Gedanken aus ihrem Buch rund um das integre Selbst möchte ich mit dir teilen.
Du bist ein hochfunktionales, hochentwickeltes Wesen. Und im tiefsten Inneren weißt du eigentlich, was dich glücklich macht und wie du dein Leben bestmöglich gestalten kannst. Dieses Wissen ist in deiner Natur verschlüsselt, du weißt tief drinnen, was dich selig macht.
Aber deine Natur kollidiert mit einer Kraft, die sie zermalmen kann. Diese Kraft nennt sich Kultur. Einer Reihe sozialer Normen, die das Denken und Handeln uns Menschen prägen. Jede Gruppe von Menschen, von Paaren über Familien, Arbeitsgemeinschaften und Freundeskreisen hat kulturelle Regeln und Erwartungen, die ihnen helfen, zusammenzuarbeiten. Der Mensch schafft Kulturen, weil er ein sehr soziales Wesen ist, das vom Moment seiner Geburt an auf das Wohlwollen anderer angewiesen ist.
Natur vs. Kultur
Wir als Menschen haben ebenfalls eine enorme Fähigkeit, das Verhalten der Menschen um uns herum zu übernehmen und zu reproduzieren. Von Kindheit an, oft ohne es zu merken, lernen wir genau, wie wir Anerkennung und Zugehörigkeit in unserem kulturellen Umfeld gewinnen können. Wir sind übermütig, ruhig oder mutig, um unseren Familien und unserer Umgebung zu gefallen. In dieser Eile uns anzupassen, ignorieren wir oft unsere echten Gefühle, sogar intensive Gefühle wie Angst oder Sehnsucht, oder setzen sie außer Kraft, um unserer Kultur zu gefallen.
"Ich werde nie wütend", sagt eine Figur in einem von Woody Allens Filmen. "Stattdessen wächst mir ein Tumor." In dieser auf den ersten Blick lustigen Aussage steckt viel mehr wissenschaftliche Wahrheit, als wir denken würden. Der kanadische Arzt Gabor Mate sagt, dass die gängige medizinische Praxis weitgehend die Rolle der Emotionen für das physiologische Funktionieren des menschlichen Organismus ignoriert. Dabei ist wissenschaftlich erwiesen, dass die emotionalen Erfahrungen, die Menschen im Laufe ihres Lebens gemacht haben, einen großen Einfluss auf Gesundheit und Krankheit haben. Und da emotionale Muster eine Reaktion auf das psychologische und soziale Umfeld sind, verrät uns die Krankheit eines Menschen immer auch etwas über die Herkunftsfamilie und die breitere Kultur, in der sich das Leben dieser Person entfaltet.
Die Macht der Gefühle
Dazu gehörten die chronische Unterdrückung so genannter negativer Emotionen, insbesondere gesunder Wut, wie in dem ironischen Beispiel der Woody-Allen-Figur. Außerdem ein übergeordnetes Gefühl von Pflicht, Rolle und Verantwortung; eine übermäßige Sorge um die emotionalen Bedürfnisse anderer, während die eigenen ignoriert werden; und schließlich die - wiederum oft unbewusste - Überzeugung, dass man dafür verantwortlich ist, wie sich andere Menschen fühlen, und dass man andere niemals enttäuschen darf. Wir wollen gut sein. Richtig sein. Gemocht werden. Anerkannt werden.
An diesem Punkt sind wir also in uns selbst gespalten. Wir sind nicht mehr integer (eine Sache), sondern doppelzüngig (zwei Dinge). Oder wir versuchen, uns in eine Reihe verschiedener Gruppen einzufügen und leben in einer multipolaren Welt (viele Dinge). Wir geben unsere wahre Natur auf und werden zu Spielfiguren unserer Kultur. Martha Beck aber sagt: Es gibt nur eine gute Nachricht - unsere eigene Natur gibt nicht kampflos auf.
Kennst du das Gefühl, innerlich gespalten zu sein? Du versuchst, auf eine Weise zu handeln, die sich für dich im tiefsten Inneren nicht richtig anfühlt?
Das lässt uns mürrisch, traurig oder taub fühlen. Körperlich äußert sich das so, dass unser Immunsystem und unsere Muskeln geschwächt sind. Wir können krank werden, aber selbst, wenn nicht, flacht unsere Energie ab. Geistig verlieren wir an Konzentration und Klarheit. So fühlt es sich an, wenn wir nicht integer sind. All diese inneren Reaktionen wirken sich auf unser äußeres Leben aus. Da wir uns nicht konzentrieren können, leidet unsere Arbeit. Reizbarkeit und Niedergeschlagenheit machen uns zu einer schlechten Gesellschaft für andere und schwächen unsere Beziehungen. Alles in uns und um uns herum wird negativ beeinflusst, wenn wir unsere Integrität verlieren.
Ist das nicht ein schönes Bild, dass sie benutzt? Das Ganz-Sein, ganz bei uns zu sein, als Integrität.
Heilmittel gegen das Unglücklichsein
Integrität ist das Heilmittel gegen Unglücklichsein sagt Martha Beck.
Die Abspaltung von der Integrität geschieht fast immer unbewusst. Wir bemühen uns, mit allen Lebensregeln zu kooperieren, die wir von unseren jeweiligen Kulturen gelernt haben.
Was mache ich eigentlich? Was ist das für ein Ort hier? Wie bin ich hierhergekommen? So sollte es eigentlich nicht sein... Kennst du solche Fragen?
Der häufigste Grund, warum wir uns auf diese Weise fühlen, ist, dass wir tun, was wir tun sollen aber eigentlich nicht tun wollen. Wir lernen von unserer Kultur, wie sich ein guter Mensch zu verhalten hat, und so verhalten wir uns auch. Dann erwarten wir die versprochenen Belohnungen, wenn wir uns konform verhalten: Glück, Gesundheit, Wohlstand, wahre Liebe, solides Selbstwertgefühl. Aber die Gleichung geht nicht auf. Selbst nachdem wir alles getan haben, um gut zu SEIN, fühlen wir uns nicht gut. Verwirrt denken wir, dass wir irgendwie nicht genug tun oder „es“ nicht richtig machen. Aber je mehr wir uns bemühen, den Weg zum Glück zu finden, desto weniger gut fühlen wir uns. Auch wenn wir nur die besten Absichten haben, haben wir unsere Integrität verloren.
Wenn wir also Emotionen unterdrücken - ebenso wie wenn wir ihnen völlig ausgeliefert sind, etwa in Momenten unbändiger Wut -, spielen wir unserem Nervensystem, dem Hormonapparat, dem Immunsystem, dem Darm, dem Herzen und anderen Organen übel mit. Die Folge können chronische oder akute Krankheiten sein. Da sich unterdrückte Wut irgendwann gegen uns wendet, kann sich auch das Immunsystem gegen uns wenden, wie zum Beispiel bei Autoimmunkrankheiten.
Erwachsene müssen wissen, dass ihre Gesundheitsprobleme selten isolierte Erscheinungen sind. Jedes Symptom, jede Krankheit ist auch eine Gelegenheit, darüber nachzudenken, wo unser Leben aus dem Gleichgewicht geraten ist, wo unsere Bewältigungsmuster aus der Kindheit zu Fehlentwicklungen geworden sind, die unser körperliches Wohlbefinden belasten.
Wenn wir zu viel Stress auf uns nehmen, sei es bei der Arbeit oder in unserem Privatleben, wenn wir nicht in der Lage sind, Dinge abzusagen, Grenzen zu setzen, Nein zu sagen, wird unser Körper das unweigerlich für uns tun.
Letztendlich kommt glaube ich und wie Martha Beck es beschreibt die Heilung von innen. Das Wort selbst leitet sich von "Ganzheit" ab. Ganz zu sein bedeutet viel mehr als die Abwesenheit von Krankheit zu erleben. Es ist das volle und optimale Funktionieren des menschlichen Organismus, aber eben auch sich für die Dinge entscheiden zu können, die Freude empfinden lassen. Im Wald unterwegs zu sein, mit Tieren zu spielen, Musik zu machen, zu zeichnen und mehr davon zu tun.
Eine schlechte Gesundheit kann natürlich auch Menschen betreffen, die völlig integer leben. Körper brechen aus vielen Gründen zusammen. Aber es ist selten, dass jemand, der innerlich gespalten ist und sich innerlich nicht ganz fühlt nicht irgendeine Art von Gesundheitsproblem entwickelt.
Solide Forschung zeigt alle möglichen Zusammenhänge zwischen einem Leben in Harmonie mit unserer inneren Wahrheit, - also zu unseren Bedürfnissen stehen zu können - und einer guten Gesundheit. Es gibt ein ganzes medizinisches Fachgebiet, die Psychoneuroimmunologie, die sich damit beschäftigt, wie psychischer Stress, einschließlich des Stresses der durch Lügen oder Geheimniskrämerei entsteht, zu Krankheiten beiträgt. Studien haben ein nicht ehrlich sein und beispielsweise Geheimnisse behalten zu müssen, mit erhöhter Herzfrequenz und erhöhtem Blutdruck, erhöhten Stresshormonen, einem höheren schlechten Cholesterin- und Blutzuckerspiegel und einem schlechten Immunsystem in Verbindung gebracht. Je ausgeprägter unser „unehrliches“ oder an dieser Stelle vielleicht „nicht integres“ Verhalten ist, wir also Dinge nicht ansprechen können, Geheimnisse behalten müssen und Menschen "betrügen", desto schlimmer sind die Auswirkungen auf unsere Gesundheit. Weil es so einen enormen emotionalen Stress für uns bedeutet.
Ganz zu sein, integer zu sein bedeutet viel mehr als die Abwesenheit von Krankheit. Es bedeutet voll hinter DIR zu stehen.
Reflexionsfragen für Dich
Also vielleicht kannst du dir heute diese Fragen stellen:
Was will ich? Was will ich wirklich? Was macht mich glücklich? Was lässt mich tatsächlich glücklich fühlen, in meinem Leben? Und was muss ich tun, um es zu bekommen?
Die meisten Menschen fangen mit etwas äußerem an, wie dem Wunsch nach einem neuen Job, einem neuen Auto oder einem neuen Ehepartner - etwas, das nichts mit ihnen zu tun hat. Aber was du nun tun kannst, ist dich zu fragen, bei welchen Tätigkeiten oder mit welchen Menschen oder in welchen Umgebungen du einfach glücklich bist. Oder stelle dir die Frage: Wann bin ich stolz auf mich selbst?
Wie bekommst du diese Gefühle? Wann erlebst du sie? Und wie kannst du ein bisschen mehr Zeit mit den Tätigkeiten, den Menschen oder an den Orten verbringen, an denen du dich einfach wohl fühlst. Das muss nicht ein Südseestrand sein, das kann ein halbes Stündchen in Frieden auf deiner Terrasse sein. Tu mehr von den kleinen Dingen, die dich glücklich machen!
Hörst Du gerne Podcast? Diesen Beitrag und mehr Impulse und Methoden zum Umgang mit Stress und mit Wegen in ein neues Selbstvertrauen gibt es in meinem Podcast 'Calm is your Superpower'. Bei Itunes, Spotify, Youtube und auf meiner Webseite.
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