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PTBS und posttraumatisches Wachstum


PTBS und posttraumatisches Wachstum Karla Johanna Schaeffer

Die meisten von uns kennen den Begriff Posttraumatische Belastungsstörung. Haben davon gehört oder sogar eine erlitten. Eine posttraumatische Belastungsstörung (PTBS) ist eine Reaktion auf ein sehr belastendes Ereignis, auf eine Situation von überwältigender Bedrohung, sogar von katastrophenartigen Ausmaß, das Gefühle wie Angst und Schutzlosigkeit, Hilflosigkeit und Kontrollverlust auslösen kann.

Aber hast Du schon einmal von dem Begriff ‚Posttraumatisches Wachstum‘ gehört? Posttraumatisches Wachstum ist eine Bezeichnung in der Psychologie. Zu posttraumatischem Wachstum kann es nach einer traumatisierenden Situation kommen.

Menschen, die ein Trauma erlebt haben fühlen häufig, dass das Leben nie wieder so sein wird wie zuvor. Eine wachsende Zahl von Forschungen zeigt jedoch, dass Menschen nicht nur die Fähigkeit haben sich von Trauma zu erholen, sondern auch ein positives, gestärktes Leben auf der anderen Seite einer traumatischen Erfahrung führen können.

Sich auf Stärken, statt auf Schwächen zu fokussieren ist ein Grundbaustein der Erholung. Für viele Menschen mit Trauma Erfahrung ist das ein schwieriger Prozess. Nach einer Traumatisierung fühlen sich viele Betroffene verletzlich und hilflos und müssen sich in einem ersten Schritt Bewältigungsmöglichkeiten suchen.


Studien zufolge sind 60-80 Prozent der Menschen, die eine tiefgreifende Krise durchlebt haben, dadurch langfristig zufriedener und stärker geworden. Wir sehen das bei Menschen, die Krieg, Naturkatastrophen, Trauer, Verlust und wirtschaftlichen Stress, schwere Krankheiten und Verletzungen erlebt haben.Traumatische Erfahrung, schmerzvolle Rückschläge und Verlust verschaffen bei einem posttraumatischen Wachstum der betroffenen Person Klarheit, was sie wirklich will und vor allem was sie wirklich braucht.

Prioritäten verschieben sich, es entstehen neue.

Dadurch kann ein Betroffener nach dem Verarbeiten der Erlebnisse authentischer und glücklicher leben.

Wissenschaftler haben also herausgefunden, dass Verlust und Belastung ein Katalysator für Wachstum sein kann. Auch eine Quelle für Resilienz, Widerstandsfähigkeit und Stärke. Viele Forschungen haben ergeben, dass auch schwere Traumata den Menschen befähigen zu wachsen, über sich hinaus zu wachsen und ein Leben zu erschaffen das durch ihre Erfahrungen gestärkt wurde. Sich aus einer auf Stärken basierenden Perspektive zu sehen, ist Teil des Heilungsprozesses.

Frag dich, was heißt das für dich?


Das allgemeine Konzept, dass Traumata auch zu positiven Veränderungen führen können, ist ein allgemeines Thema, das seit Tausenden von Jahren in religiösen und philosophischen Lehren auftaucht. Erst Mitte der neunziger Jahre wurde der Begriff 'posttraumatisches Wachstum' von den Psychologen Richard Tedeschi und Lawrence Calhoun geprägt.

Tedeschi und Calhoun gehen davon aus, dass dieser Gewinn an Stärke und Klarheit - das posttraumatische Wachstum - in fünf allgemeinen Bereichen auftritt:


Der erste Bereich ist die Intensivierung der Wertschätzung des Lebens: Es wird ein Reifungsprozess ausgelöst durch ein traumatisches Erlebnis, was zu einer Veränderung der Prioritäten führt. Die Bedeutung der kleinen, alltäglichen Dinge nimmt zu. Das Bewusstsein und die Präsenz im Jetzt nimmt zu. Materielle Dinge verlieren an Wert, persönliche Beziehungen und die Interaktion oder das Erleben der Natur und Umwelt gewinnen an Wert. Menschen sind oft sogar überrascht, wie gut sie mit Traumata umgegangen sind, rückblickend. Sie sind besser gerüstet, um künftigen Herausforderungen oder Schwierigkeiten zu begegnen.


Der zweite Bereich ist die Intensivierung der persönlichen Beziehungen: Das traumatische Erlebnis hat einen Teil der alten Beziehungen oder der alten Identität zerstört. Eine alte Beziehung, eine alte Identität, wie wir sie kannten. Wir geben eine alte Identität auf und müssen eine neue erschaffen. Traumata können helfen, neue Beziehungen aufzubauen und Menschen für die bereits bestehenden Beziehungen dankbarer zu machen.

Auch gemeinsam durch eine Krise zu kommen, ist eine verbindende Erfahrung.

Der dritte Bereich ist die Bewusstwerdung der eigenen Stärken: Gerade durch das Bewusstwerden der eigenen Verletzlichkeit wächst auch das Gefühl der inneren Stärke. Man weiß nun, dass zwar die Sicherheit im Leben jederzeit angreifbar ist, aber auch, dass man die Folgen schlimmer Ereignisse meistern kann. Man gewinnt Vertrauen in die eigene Widerstandsfähigkeit und Stärke.


Der vierte Bereich ist die Entdeckung von neuen Möglichkeiten im Leben: Nachdem alte Ziele zerbrochen bzw. unmöglich wurden, sucht man nun nach neuen Zielen und Aufgaben. Dies kann mit einem Berufswechsel, einem Ortswechsel, einem Beziehungswechsel oder mit ehrenamtlichen Engagement verbunden sein. Man sieht sich in der Lage, ist manchmal gezwungen neue Richtungen einzugehen, die sich als Geschenk oder Fügung herausstellen können.

Wenn neue Realitäten das Wiederaufnehmen alter Gewohnheiten, alter Rollen und alter Strategien verhindern, müssen wir uns anpassen, innovieren und neue Wege finden.

Der fünfte Bereich ist die Intensivierung des spirituellen Bewusstseins: Das durch das traumatische Erlebnis herbeigeführte Grenzerlebnis. Die tiefe Traurigkeit und dann die Akzeptanz dessen was war, wirft existentielle Fragen aus. Wir reflektieren über den Lebenssinn, über Gott und werden zu einer größeren, spirituellen Erkenntnis geführt. Wenn wir mit Angst und Verlust konfrontiert werden, können wir oft besser erkennen, was wir noch haben und vielleicht vorher übersehen haben.

Das kann auch ganze Organisationen betreffen, die mit existenziellen Fragen konfrontiert werden: Führen wir unser Business ethisch? Üben wir die Prinzipien, die wir predigen? Sollten wir mit unserer wertvollen Zeit und unseren Ressourcen etwas anderes tun? Was ist unser Beitrag zur Verbesserung der Gesellschaft? Was ist das Hauptmotiv für unser Weiterleben?

Viele erkennen, dass aus einem Verlust ein Gewinn entstehen kann und können die Paradoxien im Leben sehen (z. B. Verletzlichkeit und Stärke, Verlust und mit Abstand Gewinn) das gibt uns Weisheit und Stärke. Tedeschi geht davon aus, dass bis zu 90 Prozent von Trauma-Überlebenden mindestens einen Aspekt des posttraumatischen Wachstums erfahren.

Das Konzept des posttraumatischen Wachstums berücksichtigt nicht diejenigen, die mit akuter posttraumatischer Stressbelastung zu kämpfen haben. Trotzdem, und deswegen entstand auch dieser Beitrag, biete diese Erkenntnis und Erforschung eine neue Linse, durch die sich ein Betroffener im Schatten eines Traumas neu wiederfinden kann.

Nachdem wir ein Trauma erleben, steht natürlich an erster Stelle eine Bewältigungsmöglichkeit zu finden, um die akute Phase zu überstehen und auf die Beine zu kommen. Der Ansatz der körperlichen Bewältigung einer traumatischen Erfahrung und Stressbelastung ist in meinem Podcast immer wieder Thema, da ich mich auf TRE® (Tension and Trauma Releasing Exercieses) spezialisiert haben. Diese Methode ersetzt jedoch keine psychologische und medizinische Aufarbeitung.

Es ist wichtig zu bedenken, dass posttraumatisches Wachstum keine direkte Folge eines Traumas ist, sondern vielmehr damit zusammenhängt, wie der Mensch infolge des Traumas eine Entwicklung durchläuft.

Vor allen Dingen ist es wichtig, die Auswirkungen des Traumas nicht zu minimieren oder kleinzureden, um das posttraumatische Wachstum zu fördern. Die Lotuspflanze wächst im Schlamm und kann nur so blühen. Nach einer Traumatisierung beginnt ein schwieriger Prozess, das Erlebnis zu verarbeiten, durch den Schlamm zu waten, um dann einen Reifungsprozess zu durchlaufen und stärker aus der Erfahrung hervorzugehen.


Warum erleben manche Menschen eine lebensverändernde Krise oder Tragik und gehen daraus stärker als zuvor, und mit mehr Frieden als zuvor, heraus? Tatsächlich schreiben viele Menschen ihren größten persönlichen Wachstum einer zutiefst negativen Erfahrung zu, wie einem Verlust, einer Trennung oder einem Unfall.

Was bei dieser Entwicklung passiert ist, dass wir im Wesentlichen gezwungen werden unser bis dato erlebtes Selbstverständnis aufzugeben. Unser existierendes Selbst hat ersteinmal keinen Bewältigungsmechanimus mehr, um mit dieser Erfahrung umzugehen. Somit entsteht ein Prozess des Loslassens, des Ablegens, des Gehenlassens. Wir werden gezwungen die Teile in uns anzunehmen, die nicht mehr funktionieren, vielleicht sogar diejenigen, die uns von Anfang an zurückgehalten haben.

Das Wort ‚Zetrümmerung‘ kann bei einer traumatischen Erfahrung benutzt werden, weil es ein Prozess des ‚sterben-lassens‘ und der Neugeburt ist. Bevor dieses neue Selbst geboren wird, müssen wir akzeptieren, dass das alte Selbst uns nicht mehr tragen kann, nicht mehr weiter leben kann durch eine Erfahrung. Da es nicht mehr ausgestattet ist zu bewältigen, was uns mit dieser neuen Erfahrung gegeben oder genommen wurde.

Resilienz und Widerstandsfähigkeit werden definiert als die Fähigkeit, sich flexibel an herausfordernde, nachteilige oder traumatische Lebensereignisse anzupassen. Diese Fähigkeit, sich von traumatischen Ereignissen zu erholen, ist eng mit der Möglichkeit verbunden, schwierige Lebenserfahrungen zu verarbeiten. Resilienz ist kein Merkmal, das wir entweder haben oder nicht haben. Es ist eine Reihe von Strategien, die gelernt und geübt werden können.

Bei dem Konzept des posttraumatischen Wachstums wurden auch vier Voraussetzungen oder ausschlaggebende Elemente die notwendig sind, um aus Schicksalsschlägen und traumatischen Erfahrungen gestärkt hervorzugehen, herausgerabeitet.

1. Man muss damit umgehen lernen, dass das Leben unsicher ist und darf sich dabei nicht einschüchtern lassen.

2. Man muss bewusst mit den eigenen Gefühlen umgehen, sie zuerst wahrnehmen, sie verstehen und akzeptieren. Das führt zur emotionalen Einsicht und Selbstreflexion.

3. Man muss zu der Erkenntnis gelangen, dass man Verantwortung für sich, seine Taten und sein Leben trägt. Dabei darf man sich in der Krisenerfahrung nicht als Opfer sehen. Die eigene Autonomie, Selbständigkeit und Selbstverantwortung muss klar wahrgenommen werden. Hierbei ist nicht die Selbstverantwortung an dem Trauma gemeint, sondern die Selbstverantwortung bei dem Umgang und der Akzeptanz der Realität. Mit der Realität zu kämpfen, lässt uns immer als Verlierer enden. Was uns bleibt, ist unsere Selbstverantwortung bei der Bewertung und Bedeutung der Erfahrung auf uns und unser weiteres Leben.

4. Man muss nach neuen Möglichkeiten und Optionen Ausschau halten, sich öffnen und diese ergreifen. Wenn eine Tür zufällt, dann gehen fünf andere auf. Das ist der Schlüssel zum posttraumatischen Wachstum.

Wenn Du jetzt der Meinung bist, dass das alles zu optimistisch oder naiv ist, bist Du dem Erlebnis möglicherweise immer noch zu nahe. Das kann auch für andere um Dich herum gelten. Sei also geduldig, während Du die Erfahrung verarbeitest, das erleichtert den Prozess des posttraumatischen Wachstums. Diejenigen von uns, die auf diesem Gebiet arbeiten, wissen, dass das Timing entscheidend ist. Wachstum und zu heilen kann nicht erzwungen und nicht beschleunigt werden.

Ich glaube, es hilft den Gedanke anzunehmen, dass das Leben nicht unfair und beinhart ist, sondern dass uns ein tiefer Instinkt in uns ermutigt, dass ein breiterer, weiterer Horizont unmittelbar bevor steht, wenn wir uns dem nur entgegenstrecken können.


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Diesen Beitrag und mehr Impulse und Methoden gegen Stress und Ängste gibt es in meinem Podcast 'Calm is your Superpower'.

Bei Itunes, Spotify und auf meiner Webseite.

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